Ein Artikel zum Thema Bodenverbrauch von David Steiner auf www.kontrast.at
In Österreich wird täglich eine enorme Fläche an Boden versiegelt und somit für das Ökosystem ruiniert. Doch nicht nur für die Umwelt stellt das ein großes Problem dar. Auch die Nahrungsmittelversorgung könnte in Zukunft beeinträchtigt sein. Außerdem stellt die Bodenversiegelung die Bevölkerung im Falle eines Hochwassers vor ein enormes Risiko. Es besteht Handlungsbedarf von Seiten der Bundespolitik, da die Gemeinden aneinander vorbeiplanen.
Im Jahr 2020 wurde die Schwarz-grüne Koalition noch als Triumphzug von Sebastian Kurz betitelt und der Bevölkerung die einmalige Chance suggeriert, endlich eine glaubwürdige und ergebnisorientierte Klimapolitik zu betreiben. Im kommenden Jahr geht das Experiment planmäßig zu Ende und davon übergeblieben ist weder Sebastian Kurz noch die Erwartungshaltung der Wähler an eine glaubhafte Klimapolitik festzuhalten. Denn mit Stand 1. Juli 2023 wartet die österreichische Bevölkerung nun bereits seit 1270 Tagen! auf ein umfassendes Klimaschutzgesetz, sowie auf ein Erneuerbaren-Ausbau und Wärme-Gesetz. Dem Konzept der großen Ankündigungen ohne verbindliche Umsetzung folgend, wurde nun auch noch die Strategie für den Bodenschutz in Österreich in die Verlängerung geschickt.
Es ist Zeit, den „Flächenfrass“ in Österreich zu stoppen
Eine Entscheidung mit weitreichenden Auswirkungen auf unser Ökosystem und die Menschen in unserem Land. Laut dem Umweltbundesamt betrug der zusätzliche Flächenverbrauch 2021 in Österreich im 3-Jahresmittelwert 41 km2, was in etwa der Größe von Eisenstadt entspricht. Im Durchschnitt der letzten drei Jahre wurden somit pro Tag 11,3 Hektar an Flächen neu in Anspruch genommen. Ein Wert der deutlich entfernt von dem im Regierungsprogramm angestrebten Zielwert von 9 km² jährlich bzw. 2,5 Hektar täglich liegt.
Die Chance eine verbindliche Obergrenze in Form einer österreichweiten Bodenschutzstrategie zu etablieren, wurde nun aufgrund von strategischer Uneinigkeit innerhalb der Koalition vergeben. Dass eine solche Strategie jedoch dringend notwendig ist, zeigt sich vor allem auch in den Bodenversiegelungszahlen, welche einen Anteil von 41 – 58 % der jährlichen Flächeninanspruchnahme einnehmen. Bei der Versiegelung kommt es zu einer Abdeckung des Bodens und es entsteht eine wasser- und luftundurchlässige Schicht, wodurch das Bodenleben abstirbt und dadurch biologisch wertvolle Böden dauerhaft verloren gehen.
Zersiedelung gefährdet Klimaneutralität
Neben der Errichtung neuer Gewerbe- und Industrieflächen, sowie der Ausbreitung von Freizeit und Tourismusinfrastruktur, stellt die Expansion von Siedlungsflächen im ländlichen Raum die wohl größte Herausforderung im Kampf gegen den Flächenverbrauch dar. Damit einhergehend ist eine kontinuierliche Erweiterung der Verkehrsinfrastruktur. Autobahnen, Schnellstraßen und Zubringerwege fressen sich regelrecht in die Landschaft und führen aufgrund des erhöhten Verkehrsaufkommens zusätzlich zu einem Anstieg der CO2 Emissionen, was wiederum zu einem Risiko für die Einhaltung der Klimaneutralitätsziele führt.
Darüber hinaus ist das wachsende Verkehrsnetz mit enormen Erhaltungskosten verbunden. Die Errichtung von einem Kilometer Gemeindestraße mit Gehsteig, Wasserleitung, Kanal, Beleuchtung und Elektrizität kostet in etwa 1,2 Millionen Euro. Die Instandhaltung nochmals 25.000 Euro pro Kilometer im Jahr. Das bedeutet rund 1 Million Euro zersiedelungsbedingte Instandhaltungskosten für Kleingemeinden mit einem Straßennetz von 40 km. Um diesen negativen Auswirkungen entgegenzuwirken, braucht es dringend eine umfassende Bodenschutzstrategie mit einem übergeordneten Raumordnungskonzept für ganz Österreich.
Raumplanung muss besser koordiniert werden
Aktuell obliegt die Raumplanung in Österreich den Ländern und Gemeinden. Der Bund weist hierbei keinerlei Kompetenzen auf, mit wenigen Ausnahmen von Flächen für hochrangige Infrastruktur, wie etwa Autobahnen. Raumordnungsgesetze werden daher von den Ländern beschlossen und die überörtliche Gesetzgebung von den Ländern vollzogen, die Gemeinden vollziehen die örtliche. Der Bund müsste theoretisch gar nicht eingreifen, würde die überörtliche Raumplanung nicht massive Lücken aufweisen.
In der Regionalplanung von Oberösterreich sind beispielsweise nur 10 % der Gemeinden erfasst. Das Problem ist, die Länder verweisen auf die Gemeinden als Widmungsgeber und berufen sich auf ihre Rolle als Aufsichtsbehörde, die Gemeinden wiederum verweisen auf die Länder, welche durch landesweite Raumordnungsprogramme und der Definition der Siedlungsgrenzen den Gemeinden den Weg vorgeben sollen. Eine Herangehensweise die seit Jahren zu einer Pattsituation in der Raumplanung geführt hat.
Erschwerend kommt hinzu, dass es in Österreich enorme Baulandreserven gibt. Diese sind aufgrund von Bodenspekulationen entstanden und kommen gar nicht erst auf den Markt. Der Baulandmarkt wird de facto ausgetrocknet, die Bodenpreise steigen und die Raumplanung nahezu handlungsunfähig gemacht. Grundsätzlich sollte im Flächenwidmungsplan festgelegt sein, wo gebaut wird und wo nicht. Wenn allerdings die bereits umgewidmeten Flächen nicht auf den Markt kommen, müssen weitere Flächen umgewidmet werden, die sich in der raumplanerischen Peripherie befinden und nur teuer erschlossen werden können.
Naturkapital Boden in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung aufnehmen
Es ist dringend notwendig ein Umdenken im Umgang mit unserer begrenzten Ressource Boden einzuleiten. Maßnahmen, die den Bodenverbrauch reduzieren haben nicht nur positive Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima, sondern auch auf die Lebensqualität der Menschen und tragen zu mehr sozialer Gerechtigkeit bei. Dies umfasst sowohl die Sicherung der Nahrungsmittelsouveränität in Österreich durch den Schutz von wertvollen Agrarflächen, aber auch die Reduktion von Hochwasserschäden. Außerdem wird der dauerhafte Zugang zu sauberem Wasser durch die Vermeidung von Bodenversiegelung gewährleistet.
Der Erhalt von Grünflächen erhöht zudem die Kohlenstoffspeichermöglichkeit, was die Erderhitzung vermindert und der Schutz der Böden vor Immobilienspekulanten sichert den Menschen auf Dauer Zugang zu leistbarem Wohnraum. Diese Vorteile können wir jedoch nur dann sicherstellen, wenn wir damit beginnen, das Naturkapital Boden in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu berücksichtigen. Sparsame Flächennutzung und den Erhalt biologisch produktiver Böden sollte man belohnen, ausufernden Flächenverbrauch einschränken. Dies kann beispielsweise über eine Anpassung des Finanzausgleichs geschehen. Eine andere Möglichkeit wäre die Ökologisierung des Steuersystems, indem man Anreize für CO2 Bindungskapazitäten schafft.
Verbindliche Obergrenze für Flächenverbrauch und Bodenversiegelung
Es braucht zudem eine dringende Obergrenze für den Bodenverbrauch von maximal 1 Hektar pro Tag bis zum Jahr 2030. Bund und Länder müssen ein verbindliches Ziel vereinbaren. Dies würde den Druck auf die Länder als Aufsichtsbehörde gegenüber den Gemeinden deutlich erhöhen. Umwidmungen in den Gemeinden müssten die Umwidmungen dann strenger auf ihre Notwendigkeit und Zulässigkeit hin prüfen.
Es benötigt zudem eine Verpflichtung gegenüber den Gemeinden ihren Flächenverbrauch zu monitoren und dies zu veröffentlichen. Darin sollen diese festhalten, wie viele Flächen im Vorjahr in Bauland umgewidmet wurden, für wie viele Flächen Baubewilligungen erteilt wurden und wie viel unbebautes Bauland in der Gemeinde noch vorhanden ist. Dies hätte zur Folge, dass für die Allgemeinheit sichtbar würde, welche Gemeinden für die Bodenversiegelung im Besonderen politisch verantwortlich sind.
In Punkto Raumordnung müssen Landesregierungen zukünftig verpflichtet werden, in der überörtlichen Raumplanung entsprechende Vorgaben an die Gemeinden aufzustellen. Hier ist insbesondere die Festlegung von verbindlichen Siedlungsgrenzen wesentlich. In den Raumordnungsgesetzen der Bundesländer müsste eine Pflicht für alle Gemeinden aufgenommen werden, eine Strategie zum Bodenverbrauch zu beschließen. Änderungen der Flächenwidmungspläne kann man daran messen. Dem bisherigen Ping-Pong Spiel zwischen Ländern und Gemeinden beim Flächenverbrauch und bei der Bodenversiegelung kann man damit Abhilfe schaffen.
Wohnraum vor Spekulation schützen
Eine der größten Herausforderungen in Bezug auf den Bodenverbrauch betrifft die Verknappung von Wohnraum, insbesondere in Ballungsräumen. Diese Dezimierung kann zu einer sozialen Kohäsion und zum Zerreißen des sozialen Gefüges in Gemeinschaften führen, vor allem wenn einkommensschwache Familien aufgrund von mangelndem, bezahlbarem Wohnraum verdrängt werden.
Um dem entgegenzuwirken, müssen wir den Boden zukünftig vor Spekulation schützen. Zum Beispiel, indem wir den Umgang mit Leerständen in Österreich neu regeln. Die Etablierung einer österreichweiten Leerstands-Datenbank in Kombination einer gesetzlich verankerten Meldepflicht, Leerstände nach 6 Monaten zu melden kann als rechtliches Instrument gegen weiteren Bodenverbrauch wirken.
Gleichzeitig benötigt es die Einführung einer bundesweiten Leerstandsabgabe bei unbegründeten Leerstand. Laut dem Momentum Institut könnte eine Abgabe in Höhe von 100 Euro/m2/Jahr einen signifikanten Lenkungseffekt haben. Das würde dem Staat jährlich in etwa 1,9 Milliarden Euro einbringen. Alternativ könnte man dadurch 198.000 zusätzliche Wohnungen für Mieter auf dem Markt bereitstellen. Das würde sich wiederum positiv auf die Mietpreise auswirken. Durch die zusätzlichen Einnahmen könnte man monetäre Anreizsysteme schaffen, um Leerstände zu revitalisieren oder für Sanierungsförderungen von leerstehenden Gebäuden mit betrieblicher oder öffentlicher Nachnutzung.
Raumnutzung zukunftsfit machen
Der Bodenverbrauch geht in Österreich mit rasantem Tempo voran. Er zerstört somit die Grundlage für lebenswerte Regionen und die Lebensqualität der Menschen. Die schwarz-grüne Regierung setzt dabei auf ihr altbewährtes Konzept, nämlich auf Vertagung von richtungsweisenden Entscheidungen für den Klimaschutz. Es muss daher das Ziel sein den Bodenverbrauch in Österreich einzudämmen und eine gerechte und nachhaltige Raumnutzung zu fördern. Dies erfordert eine integrierte Raumplanung, die soziale Aspekte berücksichtigt und auf die Bedürfnisse der Menschen eingeht. Durch eine aktive Beteiligung der Gemeinschaften und eine verantwortungsvolle Politik können wir eine lebenswerte und gerechte Zukunft für alle Menschen in unserem Land sicherstellen.